Zitat aus der Zeitschrift "Forst&Technik - Ausgabe 9/2023"
Die Kulturbegründung im Wald wird immer schwieriger in Zeiten von langen Dürreperioden. Vor allem auf großen Kalamitätsflächen sind Pflanzenausfälle nahezu vorprogrammiert. Aus Österreich und aus der Agrarforschung kommt ein neuer Hoffnungsschimmer. Was steckt hinter dem Produktnamen Agrobiogel?
Was tun, wenn es wochenlang keinen Tropfen regnet und der mühsam gepflanzte,
ngeblich klimastabile Mischwald schon in den ersten Monaten zu verdorren droht? Viele Waldbesitzer haben sogar schon ein Tabu gebrochen: Bis vor wenigen Jahren wäre es im Traum niemandem eingefallen, ernsthaft über eine Bewässerung von Forstkulturen nachzudenken. Doch das wird mittlerweile immer öfter praktiziert, teilweise sogar mit permanenten Beregnungseinrichtungen auf der Fläche.
Wasser festhalten
Eine andere Strategie ist der Einsatz von sogenannten Super-Absorbern. Das sind hygroskopische Substanzen, die ein Vielfaches ihres Ausgangsvolumens an Wasser
speichern können und das sukzessive an ihre Umgebung wieder abgeben. Die bisher
bekannten Produkte Stockosorb, Polyter etc. sind aber nicht ganz unumstritten,
weil sie neben natürlichen Grundstoffen (Zellulose, Kalium) jeweils gewisse Anteile
von Polyacrylaten enthalten, also Kunststoffe. Auch wenn die Hersteller betonen,
dass diese sich trotzdem innerhalb einiger Jahre vollständig biologisch abbauen,
bleibt bei vielen ein Rest von Skepsis.
Rein biologisch
Mit Agrobiogel (ABG) kommt derzeit eine mögliche Alternative auf den Markt. Grundstoff ist in diesem Fall Ligninsulfonat, das bei der Zellstoffherstellung nach dem Sulfitverfahren als Nebenprodukt entsteht. Dieses wird mit Enzymen versetzt.
Das fertige Granulat enthält also letztlich nur natürliche Bestandteile. Pro
Gramm kann es 10 bis 15 g Wasser speichern. Bis zum vollständigen Abbau zu
Kohlenstoff ist es drei bis fünf Jahre wirksam. Entwickelt wurde das Konzept an der
Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien. Wie der Name schon sagt, wurde
dabei zunächst an die Landwirtschaft gedacht und dabei insbesondere an Sonderkulturen wie Gemüse, Obst- oder Weinbau. Der Erfinder, Prof. Gibson Nyanhongo
stammt selbst aus Zimbabwe in Afrika und experimentierte von Anfang an auch auf ganz trockenen, sandigen Böden. Aufhorchen lässt in diesem Zusammenhang, dass Agrobiogel vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) bereits für sämtliche Zertifikate im biologischen Landbau, darunter Bioland und Demeter, als Bodenhilfsstoff freigegeben wurde. Für den Forstbereich fehlen wissenschaftliche Untersuchungen noch weitgehend.
In Deutschland gab es erste Versuche im Privatwald in Baden-Württemberg
in diesem Frühjahr. Die Pflanzen, rund 1000 Stück, wurden mit relativ hohem
Aufwand gesetzt, d. h. zuerst mit dem 20-cm-Pflanzbohrer vorgebohrt, in jedes
Loch 100 g des Biogel-Granulats gegeben, dann mit Hilfe des Bohrers erst noch
das Bodensubstrat und der Hilfsstoff ein wenig vermengt, bevor die wurzelnackten
Vogelkirschen, Edelkastanien, Douglasien und Lärchen letztlich eingebracht wurden.
Neben einer Null-Variante ohne Hilfsstoff wurden auch Pflanzen mit einem herkömmlichen Superabsorber behandelt. Bei der ersten Kontrolle nach zwölf
Wochen zeigte sich an den Bäumchen mit Agrobiogel schon eine bessere Wurzelausbildung
als bei den Vergleichsbehandlungen. Versuche an Fichte mit einer deutlich höheren
Aufwandmenge an Agrobiogel (200 g pro Pflanze) brachten dagegen ein negatives
Ergebnis: Der Wurzelbereich war regelrecht durchnässt, die Pflanzen chlorotisch
und kaum gewachsen. Man kann es also offensichtlich auch übertreiben.
Wie können wir dem Wassermangel auf unseren Kulturflächenbegegnen?
Diese ersten Ergebnisse erscheinen demnach recht vielversprechend. Zum hohen
Arbeitsaufwand bei der Zugabe des Hilfsstoffs vor der Pflanzung gibt der Hersteller
an, dass man selbstverständlich auch die Standard-Verfahren mit Pflanz-Hauen und
-Spaten anwenden kann. Die besten chemotaktischen Reize auf das Wurzelwerk,
die letztlich das Wachstum anregen, ergeben sich aber bei guter Durchmischung.
Das gilt jedoch für alle Arten von Superabsorbern. Zur weiteren fundierten Erforschung
der Wirksamkeit von Agrobiogel sei man in Kontakt mit verschiedenen Hochschulen und forstlichen Forschungseinrichtungen sowie großen Forstbetrieben in Deutschland. Auch mit Herstellern von Pflanzmaschinen sei man schon im Gespräch, um das Granulat möglichst auch bei mechanisierten Verfahren in den Boden mit einzubringen.
Markteintritt
Weltweit gibt es noch 35 Zellstoffwerke, die nach dem Sulfitverfahren arbeiten. Laut der Firma Agrobiogel soll die industrielle Produktion im kommenden Jahr im österreichischen Hallein starten. In Südwestdeutschland gäbe es im nächsten Schritt auch einen möglichen Partner. Der kalkulierte Verkaufspreis liegt bei 5000 € pro Tonne Granulat. Das würde bei einer Dosierung von 100 g demnach Materialkosten von 50 Ct pro Pflanze bedeuten. Wir sind gespannt, wie die weitere Entwicklung bei Agrobiogel verlaufen wird. Einen deutschen Vertrieb gibt es immerhin schon: das ist die Deutsche Bodenhilfsstoff GmbH mit Sitz in Waldbrunn im Odenwald.